22.07.2024

Beide Seiten können profitieren

Dr. Lissitsa und Professor Balman zu einem EU-Beitritt der Ukraine. Für nicht gerechtfertigt halten der ukrainische Agrarmanager Dr. Alex Lissitsa und der Hallenser Agrarökonom Prof. Alfons Balmann Befürchtungen, ein möglicher EU-Beitritt ginge zu Lasten der Agrarwirtschaft in der bestehenden Europäischen Union. Es werde immer wieder über 100.000 Hektar-Megafarmen in der Ukraine gesprochen, die angebliche die dortige Landwirtschaft dominierten. "Dieses Bild stimmt nicht", sagt Lissitsa im Interview mit AGRA Europe. Der weit überwiegende Teil der Flächen werde von Unternehmen zwischen 1.000 und 10.000 Hektar bewirtschaftet. Der Absolvent der Berliner Humboldt-Universität verweist auf enorme Produktivitätsfortschritte der ukrainischen Landwirtschaft in den 20 Jahren vor Kriegsbeginn 2022. Da könne sich die EU-Landwirtschaft "einiges von uns abschauen". Von einem Beitritt erhoffe sich der ukrainische Agrarsektor Verlässlichkeit in den politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen: "Die Ukrainer sitzen nicht rum und warten auf Milliarden-Subventionen aus Brüssel", so Lissitsa, der mit "Meine wilde Nation" ein vielbeachtetes Buch über die Entwicklung seines Landes in den letzten Jahren geschrieben hat.

Bedarf für Infrastrukturentwicklung Balmann widerspricht Befürchtungen, mit einem EU-Beitritt der Ukraine gerate der heimische Ackerbau massiv unter Druck. Die Tierhaltung in Deutschland profitiere schon jetzt von Getreideimporten aus der Ukraine, in die ein beträchtlicher Teil der Einfuhren fließe. Enorm wachsen werde mit einem Beitritt der Anpassungsdruck auf die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), die sich allerdings ohnehin anpassen müsse. "Die Subventionspraxis der Europäischen Union passt nicht zu einer großstrukturierten Landwirtschaft wie in der Ukraine", betont der Wissenschaftler. In der Ukraine gebe es einen riesigen Bedarf für Infrastrukturentwicklung im gesamten Land, aber insbesondere in ländlichen Räumen. In diesem Bereich sei staatliches Geld viel sinnvoller angelegt als in Direktzahlungen für die Landwirtschaft. Auch bei uns müsse man darüber nachdenken, knappe staatliche Mittel viel stärker am tatsächlichen Bedarf auszurichten. Dabei könne ein Beitritt der Ukraine helfen. AgE

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